Der weißhaarige Sizilianer mit der Hornbrille, auf dem
Kopf einen Hut aus der Zeit, als die Mafia noch groß war, geht diesen Abend
wieder von Tisch zu Tisch und von Kneipe zu Kneipe, schmettert italienische
Schlager mit einem Pathos in der Stimme, dass so mancher Opernsänger neidisch
werden könnte. Er trägt seinen gefährlichen Anzug und um den dünnen Hals eine
schlecht geknotete Krawatte - rot wie Blut. In einer versteckten Tasche
verbirgt er eine Pistole, die manchmal aufblitzt, wenn das Licht einer
Straßenlaterne auf sie fällt. Er verwickelt dich in ein Gespräch und den Damen
gibt er in galanter Handbewegung Feuer. Er dreht sich um dich, als wollte er
dich wie ein Opfer einkreisen, bis es kein Entrinnen mehr gibt. Nur das
Körbchen, mit dem er Münzen sammeln geht, will nicht so recht zu ihm passen,
und auch nicht die Freundlichkeit, die hinter dem Messer zwischen seinen Zähnen
hervorblitzt.
Als die Arbeit getan ist, setzt er sich ins „Grüneberg“ an
einen leeren Tisch, sieht ein wenig entrückt den hin und her laufenden
Fußballern auf dem Flachbildschirm zu und nippt ab und zu an der Tasse
Pfefferminztee, die er hier allabendlich umsonst erhält. Dazu gibt’s als
Wegzehrung ein paar neue italienische Flüche oder ein paar Machosprüche, die ihm
die Kellner ebenfalls kostenlos kredenzen. Das ist alles, was er jetzt noch braucht für den Heimweg in
die sommertrunkene Hamburger Nacht.
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