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Freitag, 6. November 2020

054 Eremiten


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  

Lasst uns einsam sein 

wie Eremiten auf einem Hügel,

eingeschlossen in ein geräuschloses Haus.

 

Und nachts, wenn wir nach draußen dürfen,

flackern wir uns entgegen

mit unseren Kerzen von Flamme zu Flamme.

 

Da sind wir wieder vereint mit der Melancholie.

Wir reichen der alten Blume die Hand,

unserer Freundin aus dämmrigen Tagen.

 

Lasst uns einsam sein

wie die Lampe hinter einem Fenster,

wie ein scheues eingehülltes Antlitz.

 

Begegnung ist: das eigene Dasein atmen.

Und die Stimmen aus der Ferne genießen wir,

als wären sie eine Umarmung.

 

Donnerstag, 17. September 2020

053 Dunkelkammerguckloch Leseprobe

 Vor lauter Zeit ins Land vergaß ich es, hier im Blog meinen 3.Lyrik-im-Quadrat-Gedichtband „Dunkelkammerguckloch“  (Brot & Kunst – Verlag) vorzustellen. Das muss nun aber dringend nachgeholt werden. Das Buch gibt’s beim Verlag und beim Autor.

Dunkelkammerguckloch

 Ich wohne hier im Innern der Rätsel. Seit jeher ist mir dieser winzige, unergründliche Raum ein Zuhause. Er dient den Ahnungen als Versteck. Hier nisten die Geheimnisse. Hier sind die Botschaften verschlüsselt. Ich taste mich durch Gebüsche aus Ideen und Fragen. Ich krieche durch Dickichte aus Jalousien, hinter denen jegliche Konturen zu flüchtigen Formen auseinanderschwimmen.

Nur an besonderen Tagen fällt durch das Dunkelkammerguckloch ein wenig Licht herein. Es erhellt die Gesichter der Geister. Es verwischt die Zeichen der Umnachtung. Es zaubert den Sphinxen ein Lächeln auf den Mund. Es leuchtet die Wünsche mit wohltemperierten Verheißungen aus. Auch die unsichtbaren Amseln im labyrinth-verzweigten Efeu beginnen zu singen.

Danach ist alles wieder wie zuvor. Und je länger ich hier lebe, desto mehr erkenne ich, dass ich mich verfangen muss, um die Verwirrung nicht zu verlernen. Dass ich mir die Zunge verbrennen muss, um die Wahrheit auszusprechen. Dass ich erblinden muss, um zu sehen. Dass ich mich vergessen muss, um mich zu erinnern.

Ich wohne hier im Innern der Rätsel mit gelegentlichen Spuren von Erleuchtung.

Freitag, 15. Mai 2020

052 Irritation



Der weißen Litfaß-Säule
fehlen die Plakate.
Nichts ereignet sich mehr,
was einer Verkündigung bedarf.
So hat die Morgensonne
endlich
eine freie Bühne
für ihr Licht,
und nur 
die Schatten der Zweige
unterbrechen sie
in ihrer grandiosen Ankunft
und schmuggeln ihr
eine kleine Irritation
ins Abbild
ihrer makellosen Erscheinung.

Donnerstag, 19. März 2020

051 Geschlossene Gesellschaft



 

 

 

 

 

 

 

 

 

Scheinbar steht alles still.

Aber das Blut fließt weiter,
und wir fühlen weiter,
und wir leben weiter
in irgendeinem Exil.

Wir können nicht aussteigen aus unserm Leben,
wir können nicht den Kopf in den Sand stecken,
um dann irgendwann wieder
aus dem Albtraum zu erwachen,
als wäre nichts gewesen.
Wir können nicht warten,
und wir können uns nicht auf Eis legen,
bis alle leeren Straßenbahnen
vorbei gefahren sind.

Es gilt,
jetzt zu sein,
und unter allen Bedingungen
jetzt zu sein.

Wir sind kein Gegengewicht,
dazu sind wir viel zu leicht.

Aber es muss das Licht geben, 
es muss das Licht geben, 
das in den Tunnel scheint,
auch wenn es eine schwere Geburt geworden ist
in Anbetracht der täglichen Meldungen.

Auch wenn die milde Sonne am Morgen
nur ein Bild ist im Vorübergehen,
auch wenn der erwachende Frühling
nur ein Bild ist im Vorübergehen,
auch wenn der Tag, der sich ausbreitet,
nur ein Bild ist im Vorübergehen,
auch wenn wir in der Entfernung
nur unscharfe Gestalten sind,
die sich zuwinken,
so erinnern wir uns doch aufs Neue,
als wären wir eben erst zur Welt gekommen,
dass wir füreinander sind.