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Donnerstag, 31. Oktober 2019

050 Ach könnte doch Schönheit




Ach, könnte doch Schönheit all die Waffen ummanteln, all die Wut umranken. Ich habe nur die Schönheit, die zerbrechliche Schale, die sie ersinnt, die zarte Hand, die sie hinschreibt. Mein friedliches Gesicht hat keine Miene für den Kampf und keine Idee, den Betrug und die Macht zu besiegen. Ich kann nur hier und dort mit der Schilderung einer Landschaft und mit der Benennung der Liebe als Möglichkeit ein Lächeln hervorrufen. Mein Körper kennt nur die Umarmung, und die Stille, die ich zwischen meinen Worten fallen lasse, mehrt nur die Farben des Herbstes. Meiner Freude gelingt ein Tautropfen im besten Falle, der duftet wie das Innere einer Blüte nach dem Erwachen.

Montag, 23. September 2019

049 Aufgehende Tage in französischen Dörfern


Aufgehende Tage in französischen Dörfern. Die Finger der Sonne
berühren vergessene Wartehäuschen. Kleine Bars
öffnen ihre Türen für vorbeieilende Espressos. Eine fleißige Kellnerin
wischt den Gesternabend-Dunst von der Theke. Jemand liest
sich durch zerknitterte Zeitungen.
Baguette-Stangen ragen den Leuten wie zweite Arme
aus den Körpern. Schulkinder trödeln, vermeiden das Treppensteigen
und wecken Eidechsen auf. Kleine Lieferwagen
holpern über blühende Brücken. Unten im Bach Schlingpflanzen,
die im Wasser schaukeln wie Haare. In der Mairie
beginnt die Arbeit mit einem Milchkaffee und einem Chanson
auf den Lippen, das einem Kofferradio entsprungen ist. Dieses spitze Licht
auf den Dächern und die Schläfrigkeit in den Gehsteigen. 
Aufgehende Tage in französischen Dörfern, 
die ich betrachte durch die romantischen Augen meiner Vorstellung.
Ich treibe vorüber, ohne die Wahrheit aufzuspüren.
Die überlasse ich der Wirklichkeit,
mit der ich noch immer nichts zu tun haben will.
Überall tummeln sich Augenblicke.
Ich nehme sie mit, füge sie zusammen 
und schaue, was passiert.

Donnerstag, 4. Juli 2019

048 Sao Joao gestern (Porto 07.2019)



Sao Joao gestern
das feiernde Universum,
Straßen wie Wimmelbilder,
schunkelmutige Laternchen
und das von Sangria beschwipste Himmelblau,
die Gummimenschen von den Douro-Ufern,
schaulustig gesäumt,
die gehämmerten Liedchen,
die sich gegenseitig um den Rhythmus streiten,
das breitgegrinste Dasein
und die prallen Wackelpopos in der Stundengasse,
die schwarzgebrannten Paprikakörper
und die zerspringenden Augen der Sardinhas
vom Grill.

Heut riechen nur noch
die Kleider nach
wie gealterte Fischleibchen,
übriggebliebene Pfützen
dünsten das gelassene Wasser aus
wie stummgelebte Spiegel.
Kaltrauch-Latrinen-Gemisch,
Mageninneres nach außen gestülpt.
Bom Dia!
Auf dem Kirchplatz nebenan
hat einer vergessen,
das Licht auszuschalten.
So blinkt es dem ergrauten Morgen
ein müdes Erinnern ins Gesicht.
Wars doch kein Traum…
O Wehmut, die zurückkehrt
wie ein Fado,
der von nun an wieder,
wieder sich erneuernd erwacht.
Scherben schneiden dem Tag
ein Loch in die Stirn.
Wir haben doch genug gelacht.
Klagt auch die Möwe?
Was sagt ihr spitzer, stechender Gesang?
Was sagt das Jahr,
das diesen Tag mit Null beginnt,
parfümlos, mit Gestank aus dem Mund?
Wir haben doch genug gelacht.
Das muss für lange Zeit genügen.

Dienstag, 21. Mai 2019

047 Die Altäre von Neapel


Unverdrossen lächeln die Heiligen von ihren Altären herunter - dort neben den Einschusslöchern, die von den Schlachten der Camorra herrühren.
Sie nahmen ihnen immer die Beichte ab, den feinen Herren, vor allem dann, wenn ein dezenter Geldschein unterm Büßeschlitz des Beichtstuhls hindurchgeschoben wurde. Manchmal besprach man dort auch den nächsten Plan, um der verfeindeten Familie auf offener Straße eine Niederlage zu bescheren. Nicht selten war im Gebetbuch ein Revolver versteckt.
Eddy Graziano kam, so sagt man, direkt aus der Kirche Santa Maria della Stella, bevor er seinen Widersacher erschoss. Das ist nicht zum Lachen. Und es hat genug von diesen armen kleinen Gaunern in der Sanita, die in dunklen Zimmern mit Mamma ohne Tageslicht und im schlechtesten Fernsehblau dahinleben müssen. Die nehmen gerne ein paar Kugeln in die Hand, um sich einmal einen Monatslohn zu machen. Und danach stiften sie der Muttergottes um die Ecke ein paar Blumen und zaubern ihr ein Leuchten in die Augen. Und wenn das nicht gelingt, dann helfen sie mit ein paar Kerzen nach und beteuern ihre Unschuld oder bitten wenigstens um Gnade. Sie sind noch immer erhört worden.

Montag, 20. Mai 2019

046 Kleiner Raum

Da ich auf einen kleinen Raum mit nur wenigen Bewegungsmöglichkeiten reduziert bin, nehme ich kleiner wahr:
Die Fliege, die wie ein unscharfer dunkler Punkt auf der dem Fenster zugewandten Seite des Vorhangs zu sehen ist. Oder den Fußboden, den die Reinigungskraft nach dem Wischen wie eine glänzende Wasseroberfläche zurücklässt, die aussieht, als wäre sie direkt aus dem Rahmen des einzigen Bildes heraus in den Raum geflossen, einer Strandansicht, unter der zu lesen ist: Cavanah Beach Dream.
Wenn ich in den Spiegel am Waschbecken blicke in den frühen, noch verträumten Morgenstunden, dann rankt sich aus ihm das verschlungene Grün eines Gemäldes von Rousseau heraus.
So sucht sich meine Phantasie immer eine größere Landschaft aus als die, welche die Wirklichkeit vorgibt. Sie rastet nicht und ruht sich nicht aus, sie ist trotz aller möglichen widrigen Umstände in jeglicher Situation bereit zu spielen, zu verdrehen, die Dinge auf den Kopf zu stellen und wo immer es ihr möglich ist, ein Stück Welt zu erobern…

Sonntag, 31. März 2019

045 Schatten


















Versuchen auch die Schatten, 
das Licht zu brechen, 
sie können es nicht verhindern. 
Stattdessen zeichnen sie absichtslose Bilder 
von unberechenbarer Schönheit.