Vor lauter Zeit ins Land vergaß ich es, hier im Blog meinen 3.Lyrik-im-Quadrat-Gedichtband „Dunkelkammerguckloch“ (Brot & Kunst – Verlag) vorzustellen. Das muss nun aber dringend nachgeholt werden. Das Buch gibt’s beim Verlag und beim Autor.
Dunkelkammerguckloch
Ich wohne hier im Innern der Rätsel. Seit jeher ist mir dieser winzige, unergründliche Raum ein Zuhause. Er dient den Ahnungen als Versteck. Hier nisten die Geheimnisse. Hier sind die Botschaften verschlüsselt. Ich taste mich durch Gebüsche aus Ideen und Fragen. Ich krieche durch Dickichte aus Jalousien, hinter denen jegliche Konturen zu flüchtigen Formen auseinanderschwimmen.
Nur an besonderen Tagen fällt durch das Dunkelkammerguckloch ein wenig Licht herein. Es erhellt die Gesichter der Geister. Es verwischt die Zeichen der Umnachtung. Es zaubert den Sphinxen ein Lächeln auf den Mund. Es leuchtet die Wünsche mit wohltemperierten Verheißungen aus. Auch die unsichtbaren Amseln im labyrinth-verzweigten Efeu beginnen zu singen.
Danach ist alles wieder wie zuvor. Und je länger ich hier lebe, desto mehr erkenne ich, dass ich mich verfangen muss, um die Verwirrung nicht zu verlernen. Dass ich mir die Zunge verbrennen muss, um die Wahrheit auszusprechen. Dass ich erblinden muss, um zu sehen. Dass ich mich vergessen muss, um mich zu erinnern.
Ich wohne hier im Innern der Rätsel mit gelegentlichen Spuren von Erleuchtung.
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