Dienstag, 19. April 2016
026 Flugstunden
025 Genua
Ein Zug quietscht polternd in die Stazione
Principale ein. Wirft alles aus, was er hat. Sogar die
schicken Farbigen mit ihren Dolce & Gabbana-Plagiaten, die sie auf
verregneten Gehsteigen vor den grauen Wellen der Ligurischen See zum Verkauf
auslegen. Auch
hats dort leere Beichtstühle und Strandkörbe, die grad in Arbeit sind, und Palmen, windgeschüttelt.
Dazwischen plätschernde Goldfischbrunnen mit Wassermustern aus roten Kreisen.
Oder geschlossene
Cafés, deren Kellner,
da du gerade dringend einen Espresso brauchst, auf ihren eigenen Gartenstühlen
sitzend, Siesta halten.
Als
du für einen Augenblick nur im Schatten zweier eng anliegender Häuser verschwindest, bist du schon vom
rechten Weg abgekommen. Ein gieriger Mund frisst dich auf, ein unendlicher
Schlund schlingt dich hinunter und führt dich an der Nase in düsteren Irrgängen
herum, ohne dass du an eine Taschenlampe gedacht hast. Nicht einmal die Sonne
schaffts bis ganz nach unten, bleibt an den Wäschestücken haften, die im schneidigen Luftzug wie Farbspiele an den Leinen
baumeln, bleibt kleben an den Spitzen-BHs und den geschlechtsbetonten Slips, -
dort oben an den Hauswänden aus Blätterknt, wo gerade noch eine Mutter Gottes in einer
Nische Platz hat, die diesem Anblick so schonungslos ausgeliefert ist, dass sie
vor Scham die Augen verdrehen muss, oder wo eine Möwe, den Duft von Meer im spitzen gelben Schnabel,
flügelnd auf einer steinernen Kugel Platz genommen
hat.
Im
Verborgenen schachern die Dunkelmänner und handeln mit muffiger Stille und
verstockter Feuchtigkeit. Was die Keller sonst noch zu bieten haben, wissen wir
nicht. Anmutige Auberginen vielleicht. Und was die toten Blicke der Fische
versprechen, sehen wir nicht. Zwischen katzenköpfigen Kieseln quillt
bittersüßer Saft aus zerquetschten Orangen. Und zielgerichtet sucht sich das
Georgel eines Akkordeons mit Melodien aus dem kollektiven Schlager-Gedächtnis
einen Platz in unsern Gehörgängen, die zwar eng, aber tatsächlich doch immer
noch breiter sind als die tiefgefurchten Rinnen der Gassen. Handtaschenfrauen
wedeln auffordernd mit ihren Röckchen. Sie werden von kleinen Pistolas bewacht,
die aus unterirdischen Fenstern luken. Am besten, du schaust ihnen gar nicht erst in die Augen, sonst erliegst du ihrem
verkommenen Lidstrich. Und als sich schließlich österliche Prozessionen
dazwischenzwängen, und die Fahnen der kindlichen Ministranten am schmutzigen Stein der
Balkonvorsprünge hängen bleiben, machst du schnell ein öffentliches Kreuzzeichen, damit dein
Begehren niemandem auffällt. Oder du betest in der Cathedrale di San Lorenzo
drei Vaterunser vor einem blinkenden Heiligenschein.
Dann
fährst du mit dem
Bus Nummer 34 zum Cimitero di Staglieno, um am Grabmal der heiligen
Nussverkäuferin einen Strauß Nelken niederzulegen. Aber du verläufst dich in
all diesen versteinerten Umarmungen und zwischen Hunderten von Jesus und
Maria-Leuchten mit Batterien, die nach fünfzehn Tagen ihren Geist aufgeben.
Draußen aber im quirligen Leben unter den Arkaden am alten Hafen steht die
kleine Händlerin bereits wiedergeboren und geht wie eh und je ihren winzigen
Geschäften nach.
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